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Zukunftskompetenzen: Was die Gesellschaft vom Arbeitsmarkt lernen kann
18.09.2024 | 2 Links | 3 Bilder | 1 Video
Die hohen Zustimmungsraten für extremistische Parteien schicken Schockwellen durchs Land. Viele Menschen fühlen sich angesichts einer immer komplexeren Welt verunsichert und von ständigen Veränderungen überfordert. In dieser Situation ermöglichen es Zukunftskompetenzen wie Anpassungsfähigkeit, kritisches Denken und Einfühlungsvermögen, Veränderungen aktiv mitzugestalten. Der Arbeitsmarkt hat dies längst erkannt: Unternehmen fordern von zukünftigen Mitarbeiter:innen immer mehr dieser Zukunftskompetenzen. Das zeigt die neue Jobmonitor-Studie, für die 47 Millionen Online-Stellenanzeigen analysiert worden sind.
Gütersloh, 18.09.2024. In vier von fünf Jobangeboten suchen Unternehmen Selbstmanagement-Kompetenzen wie zum Beispiel Anpassungsfähigkeit. Soziale Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen werden in drei von vier Stellen nachgefragt. Und kognitive Kompetenzen wie kritisches Denken fordern Arbeitgeber:innen in mehr als jeder zweiten Stelle. Das zeigt die Jobmonitor-Studie, die die Nachfrage nach zentralen Zukunftskompetenzen am Arbeitsmarkt in den vergangenen fünf Jahren untersucht hat. Im Durchschnitt werden 2023 pro Stellenanzeige sieben überfachliche Kompetenzen gesucht, ein Plus von zehn Prozent gegenüber 2019. „Wir brauchen Future Skills, um neue Technologien zu beherrschen, Desinformation zu erkennen und in einer vielfältigen Gesellschaft respektvoll miteinander umzugehen“, sagt Larissa Klemme, Studienautorin und Expertin der Bertelsmann Stiftung für Future Skills.
Je höher das Anforderungsniveau, desto größer ist die Nachfrage nach Future Skills
Durchschnittlich fünf überfachliche Kompetenzen suchen Unternehmen in Jobanzeigen für Hilfskräfte, die in der Regel einfache Tätigkeiten ausführen. Bei Expert:innen mit hoch komplexen Tätigkeiten sind es mit acht deutlich mehr. Zudem zeigt sich eine unterschiedliche Nachfrage nach einzelnen Kompetenzen: Anpassungsfähigkeit sichert die Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten und somit die Produktivität von Unternehmen. Diese Kompetenz wird am häufigsten von Hilfskräften gefordert, die seit vielen Jahren von Automatisierung betroffen sind. 2023 wurde Anpassungsfähigkeit in mehr als jeder fünften Jobanzeige für Hilfskräfte (21 Prozent) gesucht, ein leichter Rückgang der Nachfrage im Vergleich zu 2019 (- 3 Prozent). Bei Expert:innen waren es 2023 zwar nur 16 Prozent der Anzeigen, allerdings ist die Nachfrage in dieser Gruppe seit 2019 am deutlichsten gestiegen (+ 24 Prozent). „Durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz sind jetzt auch hoch komplexe Dienstleistungsberufe zunehmend von disruptivem Wandel betroffen. Daher muss sich auch diese Gruppe häufiger an veränderte Bedingungen anpassen“, sagt Klemme.
Kritisches Denken ist erforderlich, um beispielsweise mit der zunehmenden Menge an Mails von Kriminellen umzugehen, die an Firmen- oder persönliche Daten gelangen wollen. Kritisches Denken wird 2023 insgesamt in jeder fünften Stellenanzeige gesucht. Bei Jobanzeigen für Expert:innen wird die Kompetenz sogar in 22 Prozent der Jobanzeigen erwähnt, bei Anzeigen für Hilfskräfte hingegen nur in 13 Prozent. Dabei ist die Nachfrage bei Hilfskräften doppelt so schnell gewachsen (+23 Prozent) wie bei Expert:innen (+11 Prozent). „In Zeiten von Informationsflut und Fake News wird es beruflich wie privat wichtiger, Daten und Informationen objektiv und kritisch reflektieren zu können“, sagt Martin Noack, Studienautor und Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung.
Einfühlungsvermögen erleichtert es uns, den Anliegen von Kund:innen, Kolleg:innen und Mitarbeiter:innen mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen. Die Kompetenz gewinnt in den vergangenen Jahren an Bedeutung. Besonders beeindruckend ist der Nachfrage-Anstieg bei Stellen für Expert:innen, mit 76 Prozent Wachstum auf einen Anteil von sechs Prozent in 2023. „Der wachsende Fokus auf Einfühlungsvermögen spricht für den kulturellen Wandel des Führungsstils in Zeiten von New Work“, sagt Noack. „Durch mehr Empathie und Wertschätzung gelingt es, auch in zunehmend virtuellen Teams ein vertrauensvolles und sinnstiftendes Arbeitsklima zu schaffen.“
Verlässlichkeit und Sorgfalt werden besonders von Hilfs- und Fachkräften verlangt
Weniger im Fokus der Future-Skills-Debatte stehen bisher traditionelle Soft Skills wie Verlässlichkeit und Sorgfalt. Diese Kompetenzen sollen vor allem Hilfskräfte und Fachkräfte zunehmend mitbringen. Verlässlichkeit wuchs seit 2019 um 23 Prozent und wird jetzt schon in einem Viertel der Stellenanzeigen gefordert. Sorgfalt wuchs um 43 Prozent und steht in 14 Prozent aller Stellenanzeigen. „Wenn Betriebe nicht die voll ausgebildeten Fachkräfte finden, dann legen sie umso mehr Wert auf traditionelle Tugenden wie Sorgfalt und Verlässlichkeit. Die dann noch fehlenden fachlichen Kenntnisse können sie ihren neuen Mitarbeiter:innen zumeist schnell vermitteln“, sagt Noack
Die Welt verändert sich mit immer größerer Geschwindigkeit. Dabei spielen am Arbeitsmarkt Fachkompetenzen nach wie vor eine große Rolle. Für den Erfolg von Unternehmen und die persönliche Entwicklung brauchen Menschen aber auch die Fähigkeit sich immer wieder auf neue Anforderungen einzustellen. „Future Skills stärken unsere Resilienz und helfen uns, lösungsorientiert mit neuen Herausforderungen umzugehen“, sagt Klemme. „Daher müssen diese im gesamten Bildungssystem stärker in den Fokus genommen werden. Akteure der verschiedenen Bildungsbereiche sollten jetzt gemeinsam Möglichkeiten erarbeiten, wie Menschen Future Skills erwerben und entwickeln können.“
Zusatzinformationen: Für die Studie „Kompetenzen für morgen - Diese Future Skills suchen Unternehmen schon heute“ haben wir 19 Literaturquellen nach der Nennung spezifischer Future Skills untersucht. Anschließend haben wir rund 47 Millionen Online-Stellenanzeigen der Jahre 2019 bis 2023 danach ausgewertet, wie schnell und wie stark die Nachfrage nach diesen Future Skills sowie nach weiteren Soft Skills über den Fünfjahreszeitraum hinweg gewachsen ist. Grundlage der Analyse bietet ein Algorithmus zur Extraktion einer adaptierten Version der europäischen Kompetenztaxonomie ESCO.
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